Donnerstag, 14. April 2011

Imessouane





Nun sitze ich auf der Terrasse unseres kleinen Appartements direkt am Meer. Ich schmecke das Salz des Meers auf meiner Zunge. Der Bass der Wellen massiert meine Seele. Die Häuser hier sind eingebettet in Felsen und schmiegen sich dicht gedrängt an einen Hügel. Kleine, schmale Gassen mit oft hohen Stufen verlaufen sich zwischen den Häusern. Am Fuße der Häuser brandet je nach Wasserstand direkt das Meer und frisst sich mit den Jahren sanft in das Gestein. Schaut man aus dem Fenster, schaut man direkt in die azurblauen Weiten des Ozeans; rechts und links begrenzt durch schroffe Felsen.

 
Die Wellen prallen rhythmisch ans Ufer direkt am Fuße der Häuser, was sie wie eine Festung wirken lässt. Man hört keinerlei Geräusche einzig und allein das Rauschen der Wellen. Dieses dominante Geräusch verschluckt alle anderen Geräusche lediglich kurze Gesprächfetzen sind zu erhaschen.
Der Weg hierhin ist etwas beschwerlich; ermöglicht einem aber diese unwahrscheinliche Ruhe, da es wenig Touristen gibt; wenn dann meist friedliche Surfer. Da Imessouane zwischen Agadir und Essaouira liegt kann man sich an der Hauptstraße aus dem Bus „werfen“ lassen. An der Abzweigung nach Imessouane wartet meist schon ein „transport publique“, der jedoch nicht wirklich mit unserem Nahverkehr zu vergleichen ist. Als wir das erste Mal mit dem „transport publique“ hier gefahren sind dachte ich wir würden trampen. Umso verwunderter war ich, als wir anschließend zur Kasse gebeten wurden. Für einen „transport publique“ hatte ich diesen ausrangierten Kleintransporter nun im Leben nicht gehalten.
Es ist aber immer wieder ein sich lohnendes Erlebnis durch die karge Landschaft zu fahren, auf der kurvigen Route, wo vor jeder nicht einsehbaren Kurve vorsichtshalber gehupt wird, Esel, Ziegen und Kamele passiert, bis man dann schließlich zwischen den Klippen das mal tiefblau mal türkisfarbige Meer aufblitzen sieht.



Imessouane, ein versteckter, unscheinbarer Ort, der einen verwunschenen Eindruck macht.
Manchmal spaziert man am Strand entlang und plötzlich entdeckt man zwischen den Felsen mehrere Männer, die einen eifrig observieren und dabei ihr Mittagsmahl zu sich nehmen. Dies alles passiert hier jedoch ohne Kommentar; nie wird man angesprochen oder belästigt.
Die Männer hier entsprechen dem Klischee von einsamen Fischern: fleissig bei der Arbeit und karg an Worten. Ihre Frauen und Familien wohnen meist ein Dorf weiter, was etwas versteckt zwischen den Bergen liegt.
 Im Ort gibt es eine Jugendherberge „au bout du monde“ (zu deutsch: am Ende der Welt). Das beschreibt Imessouane sehr treffend. Inmitten von Bergen am Atlantik am scheinbaren Ende der Welt.
Imessouane zaubert eine Atmosphäre, die einen Tiefenentspannung erfahren lässt und jegliche Einheit von Zeit und Raum vergessen lässt. Manchmal wirkt dieser Ort jedoch auch bedrohlich. Wenn man abends am Lagerfeuer den Geschichten der Einheimischen lauscht, die von Pädophilie und Vergewaltigungen erzählen. Oder wenn die Wolken aufziehen, der Himmel schwarz wird und sich ein heftiges Gewitter über dem Ort auslässt. Dann verliert Imessouane seine Schönheit einen kurzen Augenblick, aber nur bis die Wolken wieder aufbrechen und die heisse Sonne Afrika’s einem wahrlich die Sicht nimmt.
Ein unwirklicher, verträumter und verwunschener Ort: Imessouane.
Und spätestens wenn der Mond seine glitzernde Straße auf das Meer wirft, die Wogen der Wellen weiss leuchten und die heisse Wüstenluft einen vergessen lässt, das es bereits Mitternacht ist; spätestens dann hat man all seine Sorgen und Nöte vergessen hier am scheinbaren Ende der Welt.

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